Bringt Ächzen im Kraftraum etwas?

(Dieser Artikel stammt aus meiner Kolumne der NZZ am Sonntag)

Die bewusste Atmung hat das Ziel, das Krafttraining zu unterstützen. Wenn Sie beispielsweise bei den Kniebeugen in der exzentrischen Bewegung, also beim Absenken in die Hocke, einatmen und beim Anheben kontrolliert durch den Mund ausatmen, verhindern Sie eine Pressatmung.

 

Warum ist das wichtig? Durch den aus Pressatmung resultierenden Überdruck, vor allem beim Heben schwerer Lasten, kann die Verletzung kleiner Adern im Kopfbereich und in der Lunge begünstigt werden, was gesundheitsschädigend oder gar gefährlich sein kann. Ausserdem können das Luftanhalten und das Pressen Schwindel oder gar Ohnmacht auslösen.

Deshalb ist eine bewusste Atmung während Kraftübungen wichtig und darf hörbar sein. Wer darauf achtet, kann sogar eine Leistungssteigerung erwarten. Denn durch das kontrollierte Ausatmen bei der konzentrischen Bewegung bleibt die Bauchmuskulatur gespannt, was die Rumpfstabilität während der Übung erhöht. Je stabiler der Rumpf, desto besser die Kraftleistung.

 

 

 

Rechtfertigen diese Fakten das Brüllen einiger Zeitgenossen im Fitnessstudio? Dies lässt sich nicht generell beantworten und ist stark von der individuellen Zielsetzung abhängig. Mir fällt auf, dass sich die «Fitnessler» in den Studios grob in drei Gruppen einteilen lassen:

 

Die Socializer, die vermutlich seit Monaten nach demselben Plan mit den immer gleichen moderaten Gewichten trainieren, schwitzen kaum und ruhen sich zwischen den Sätzen zehn Minuten am Handy tippend auf dem Gerät aus.

Die Brüller trainieren meist mit zu schweren Lasten, die sie unter animalischem Gebrüll bewegen, wobei die Qualität der Bewegung zu wünschen übrig lässt.

Die dritte Gruppe sind die stillen Arbeiter. Sie trainieren fokussiert, intensiv und bemühen sich um eine exakte Übungsausführung. Während der Kraftübung hört man von ihnen ein bewusstes Ausatmen durch den Mund.

 

Ich rate Ihnen von einem Beitritt zu den Gruppierungen der Socializer und der Brüller ab. Bei den einen reicht die Trainingsintensität gerade dazu aus, um das schlechte Gewissen zu beruhigen, und die anderen scheinen durch mangelnde Bewegungsqualität ihre Gesundheit zu gefährden, ohne dabei wesentlich mehr Fortschritte zu erzielen.

 

Werden Sie zum stillen Arbeiter, wenn Sie positive Trainingsresultate erreichen wollen: Er hat diesbezüglich die höchste Effizienz.

 

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