(Dieser Artikel stammt aus meiner Kolumne der NZZ am Sonntag)
Sie möchten jemanden mit einem Fitnesstracker beschenken und wissen, welche der angepriesenen Funktionen etwas taugen?
Wichtig ist die Zielsetzung des Beschenkten
Für beginnende Läufer kann eine Puls Überwachung von Nutzen sein. Geht es jedoch mehr darum, die tägliche Aktivität, etwa die Anzahl gemachter Schritte, zu zählen, ist ein Gerät mit Bewegungssensor sinnvoll.
Natürlich liefern die meisten Geräte weit mehr Informationen, zum Beispiel den Kalorienverbrauch während einer Trainingseinheit oder den prozentualen Anteil an Körperfett. Diese Rückschlüsse errechnen die meisten Geräte aufgrund eines Algorithmus. Die Praxis zeigt, dass die angegebenen Werte allgemein zu hoch liegen. Sie dienen als Richtwerte oder der Motivation und zeigen bei Messungen über mehrere Wochen auf, ob man sich verbessert oder nicht.
Geblendet von meiner Déformation professionnelle
Als mein Patenkind sich einen Fitnesstracker gewünscht hat, weiteten sich meine Augen. Zum einen war ich erstaunt, dass eine Neunjährige einen solchen Wunsch äussert, zum andern konnte ich kaum verbergen, dass ich aufgrund meiner Déformation professionnelle nicht viel von solchen Gadgets halte. Wieso? Weil ich in den letzten Jahren immer häufiger beobachte, dass Menschen dazu neigen, ihre Eigenverantwortung an ein Gadget, eine App oder ein standardisiertes Programm aus dem Internet abzugeben.
Die Spielereien der Fitnessindustrie werden immer ausgeklügelter, die Werbung dazu immer gerissener. Es werden Schritte gezählt, Kilometer verglichen, Höhenmeter gemessen, Puls und Blutdruck überwacht, Schlafverhalten analysiert, Fettanteile und verbrauchte Kalorien errechnet usw. Alle diese Daten ergeben grafisch perfekt gestaltete Diagramme, die per Knopf druck auf SocialMediaPlatt formen geteilt werden können.
Zugegeben, ich habe es auch schon ausprobiert, mit dem Fazit: ein netter Zeitvertreib. Ich musste mir aber eingestehen: Wenn ich so einem Tool mehr vertraue als meinem eigenen Gefühl, dann ist es an der Zeit, mich selber mal wieder auf ein Bier einzuladen und zu fragen, wie es mir eigentlich gehe.
Doch das alles ändert nichts an der Bitte meines Patenkindes. Auf meine Nachfrage, ob das wirklich ihr grösster Wunsch sei, hat sie mir verraten, dass ihre beste Schulfreundin einen Schrittzähler besitze und sie mit ihr eine Wette offen habe, wer innerhalb von sechs Monaten mehr Schritte erreiche. Ich fand Gefallen an der Idee. Mir wurde bewusst, dass ein solches Gadget durchaus motivierend sein kann. Dass wir uns zu Analytiker Freaks entwickeln, ist dennoch unnötig.
Unser Körper liefert ständig Signale, was für ihn im Moment nützlich wäre. Wir sollten nur ab und zu innehalten und darauf hören.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!