«Das Sitzen ist das neue Rauchen»

(Ein Interview aus die Post Ausgabe 5/2017)

Andreas Lanz, früherer Hochleistungssportler (Schwingen, Bob) und langjähriger Personal Trainer, über die Notwendigkeit, die eigenen Muskeln zu reizen.

 

46 Prozent der Pöstler, die an der Umfrage teilgenommen haben, treiben mehr als zweimal pro Woche Sport, 40 Prozent zwischen ein- und zweimal. Nur 14 Prozent antworteten mit nie. Wie beurteilen Sie das?

Hier stellt sich die Frage, wie die Teilnehmenden Sport definieren. Deshalb ist eine Beurteilung schwierig. Ich persönlich stelle fest, dass das Gesundheitsbewusstsein in den letzten Jahren angestiegen ist und ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung begriffen hat, dass Sport ein Muss wird. Sitzen ist das neue Rauchen. Dass Rauchen tödlich sein kann, haben mittlerweile alle begriffen, aber wie schädlich Sitzen ist, dazu fehlen uns noch die Langzeiterfahrungen. Was aber passiert beim mehrstündigen Sitzen? Der Durchschnittsmensch lässt sich fallen wie ein Nussgipfel – eine physiologisch ungünstige Position: die Hüftbeuger verkürzen sich, die Rückenstrecker werden länger, die grossen Nackenmuskeln kürzer, weil man den Kopf strecken muss, um gerade in den Bildschirm zu schauen. Irgendwann haben sich in der Physiologie die Zahnräder so verschoben, dass man Haltungsprobleme hat. Das Endergebnis sind Schmerzen.

 

Die Weltgesundheitsorganisation WHO sagt, zweieinhalb Stunden Bewegung mit erhöhtem Puls pro Woche genügen, um fit zu bleiben. Die Post empfiehlt den Mitarbeitenden, mit dem Velo zur Arbeit zu fahren, oder den Waldspaziergang zügigen Schrittes zurückzulegen. Reicht das?

Damit deckt man ein Grundbedürfnis an Bewegung ab. Das ist schon einmal sehr gut. Aber das wird die Probleme in Bezug auf allfällige Haltungsschäden nicht lösen. Letzteres ist ein Problem der Skelettmuskulatur. Diese sollte man mit Mobilitäts- und Kräftigungsübungen so stärken, dass es im Körper keine Disbalancen mehr gibt. Bürojobs sorgen dafür, dass wir uns haltungsmässig evolutionär zurückentwickeln. Im Personal Training versuchen wir diese Rückentwicklung aufzufangen und die Disbalancen gezielt auszumerzen. So werden auch längere Sitz-Phasen gut verträglich.

 

Wie unterscheiden sich Ihrer Erfahrung und Einschätzung nach die körperlichen Beschwerden von Büromitarbeitenden und jenen Kollegen, die sich stark bewegen, etwa Zustellern oder Mitarbeitern des Paketzentrums?

Den gesündesten Job hat vermutlich der Zusteller: Er ist immer in Bewegung und oft an der frischen Luft. Der Wechsel des Sitzens auf dem Roller oder im Auto und des Aufstehens/Gehens ist gut. Der Mitarbeitende am Bürotisch wird früher oder später an Problemen mit der Bandscheibe oder der Hals- und Lendenwirbelsäule leiden, wenn er nicht sportlich aktiv ist. Und wer schwere Lasten am Förderband von A nach B hievt, braucht ebenfalls ein Krafttraining. Nicht, um stärker zu werden, sondern als Ergänzung um Disbalancen auszugleichen, weil die Bewegungen oft zu einseitig sind.

 

Das ganzheitliches Training ist wichtig: Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit. Der Sport ist umfassender geworden, auch die Ernährung ist ein Teil davon. Bei so viel «Muss»: Schreckt man nicht viele einfach nur ab?

Erstens: Sie müssen gar nichts. Die vielen unterschiedlichen Meinungen und gut gemeinten Ratschlägen punkto Sport und Ernährung können verwirren. Gerade in der Ernährung kommen immer ausgefallenere Diättrends auf den Markt. Der Mensch neigt dazu, sich eher über die Schwierigkeiten der Ernährung den Kopf zu zerbrechen, Diäten zu testen oder auf eine Wunderpille zu warten, die es nie geben wird, als sich mehr zu bewegen. Ernährung ist grundsätzlich einfach. „Ausgewogen und die Menge an die körperliche Tätigkeit angepasst“, sagt mir mein gesunder Menschenverstand. Effizienter ist es, mehr Bewegung in den Alltag einzubauen. Einfach gesagt: Ein Muskel, den man trainiert, wird leistungsfähiger und verbraucht mehr Energie. Aber: Das ist anstrengend! Es muss Schweiss fliessen. Ich muss mich regelmässig dazu überwinden. Wenn ich das tue, verbrauche ich mit der Zeit mehr Kalorien, sogar wenn ich schlafe. Und ausserdem werde ich mit mehr Vitalität belohnt.

 

Reicht denn ein intensives Muskeltraining pro Woche? 

Fitness-Studios sagen dazu klar Nein. Nicht so beim Personal Training. Ich habe in den letzten zehn Jahren immer wieder erlebt, dass Kunden, die einmal pro Woche eine Stunde so trainieren, Fortschritte erzielen. Zweimal pro Woche je eine Stunde in ein Personal Training zu investieren ist ideal, um eine sicht- und messbare Leistungssteigerung zu erzielen. Wieso? Personal Training ist individueller, der Trainingsreiz ist massgeschneidert und exakt der Tagesform des Kunden angepasst.

 

Was ist Ihr persönliches Ziel? Was treibt Sie an? 

Leute zu motivieren, Bewegung wieder dauerhaft in ihren Alltag zu integrieren. Sie zu persönlichen Erfolgen und Zielen zu führen und so zu helfen, den stetig steigenden Anteil der Menschen mit gesundheitlichen Risiken und Einschränkungen etwas zu reduzieren.

 

 

*Firmen buchen die Profis, um die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu fördern. «Das kommt immer mehr», so Andreas Lanz. Eine Müllabfuhrfirma beispielsweise rollt nach dem Parken der Lastwagen einmal in der Woche den Rasenteppich aus und TATKRAFT führt mit den Angestellten ein Mobilitätstraining durch.

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